Mit meinem Autorenkollegen Kai Moorschlatt habe ich nicht nur den Vornamen und das Bücher schreiben gemeinsam. Auch die Vorliebe für die Staaten des Mittleren Westens teilen wir uns. Kai Moorschlatt hat mittlerweile drei lesenswerte Bücher zu diesem Thema verfasst und es gibt wohl keinen anderen deutschsprachigen Autor, der mehr über den Bundesstaat Wyoming geschrieben hat. Da war es nun wirklich höchste Zeit, ihn einmal zu dieser Leidenschaft zu befragen.
Wie hast du dich mit "Wyomingitis" infiziert?
Kai Moorschlatt: Liebe auf den ersten Blick war das mit mir und dem Cowboy State auf jeden Fall nicht. Das erste Mal bin ich als Austauschstudent in Laramie gelandet. Ich hatte mir die University of Wyoming ausgesucht, da sie einen guten Journalistik-Studiengang hat und die Berge in der Nähe sind. Für mich als begeisterter Snowboarder eine ideale Umgebung. Als ich dann aber zum ersten Mal von Denver über Fort Collins nach Wyoming gefahren bin, war mein erster Gedanke: "Hier soll ich jetzt wirklich leben?" Wildnis und Einsamkeit pur. Und wenn man dann kurz vor Laramie ist, begrüßen den Reisenden ersteinmal ein Fabrikschornstein, Eisenbahngleise und ein Feuerwerksladen. Klasse.
Aber ich habe dann recht schnell schon nach einigen Tagen die Reize der Region entdeckt und lieben gelernt. Laramie ist ein lebhaftes Studentenstädtchen mit vielen Kulturangeboten und die Umgebung ist einzigartig. Vor allem die Prärie: Eine ungeheure Weite, die am Horizont von schneebedeckten Gipfeln begrenzt wird. Die Berge sind ein Paradies für Outdoor-Fans. Kurz nach meiner Ankunft habe ich einen Ausflug auf den circa 4000 Meter hohen Medicine Bow Peak gemacht. Vom Gipfel hat man einen gigantischen Ausblick über tiefblaue Bergseen, Wälder und die Prärie. Spätestens dort hat die "Wyomingitis" mich infiziert. Der Medicine Bow Peak ist immer noch mein Lieblingsort in Wyoming. Auf dem von Geröll bedeckten Gipfel im Wind zu sitzen und den Blick den Steilhang hinab schweifen zu lassen und dann Richtung Süden bis nach Colorado zu schauen - das ist ein wunderbares Erlebnis.
Und die Menschen dort sind anscheinend auch sehr nett...
Kai Moorschlatt: Ich mag die Mentalität der Menschen in Wyoming. Man kommt leicht mit den Leuten ins Gespräch. Zwar haben die meisten Bewohner dort eine sehr konservative Grundhaltung, aber sie sind dennoch offen und hilfsbereit. Das hängt natürlich auch mit der Umgebung zusammen: insbesondere in den einsamen Landstrichen ist es eben wichtig, wenn man sich gegenseitig unterstützt. Es ist eine interessante Mischung von Individualismus und Unabhängigkeit, aber eben auch von kameradschaftlichen Umgang und freundlicher Hilfsbereitschaft. Man geht seinen eigenen Weg, aber steht in Notlagen füreinander ein. Mir gefällt, dass die Menschen im Cowboy State eine sehr direkte Art haben. Es wird nicht lange geredet, sondern einfach mit angepackt. An der Supermarktkasse wird nicht wie oft in Deutschland stumm vor sich hin geschaut, sondern man tauscht ein höfliches "How are you today?" aus, führt Small Talk und lächelt sich an. Viele Deutsche sprechen immer wieder von den oberflächlichen Amis. Ich nenne das Freundlichkeit.
Dem kann ich nur zustimmen! Ich muss sagen, dass mich mein Leben in Amerika selber freundlicher werden ließ. Wie geht es dir: Hat dich deine zweite Heimat Wyoming verändert oder vielleicht auch in bestimmten Sachen bestärkt?
Kai Moorschlatt: Ich glaube, ich bin in Wyoming weltoffener geworden. Das ist eigentlich kurios, da man gerade dort eigentlich außer über das Internet wenig vom Rest der Welt mitbekommt. Viele meiner Freunde dort sind Anhänger von George Bush gewesen. Ein Kumpel würde sich über eine Präsidentin Sarah Palin sehr freuen. Anfangs haben mich solche Aussagen schockiert, zumal sie von intelligenten, sympathischen Menschen kommen. Persönliche habe ich zwar eine andere politische Einstellung, aber ich habe aus Gesprächen gelernt und begriffen, warum ein Großteil der Bevölkerung in Wyoming die Republikaner favorisiert. Und das ist doch ein Schritt zu mehr Offenheit.
Die Toleranz gegenüber anderen Meinungen ist wichtig im Umgang miteinander. Ich habe mit einem guten Freund lange, harte Diskussionen über die Tea Party geführt. Aber danach haben wir freundschaftlich mit einem Bier angestoßen. Jeder von uns ist zwar im Endeffekt bei seiner Meinung geblieben, aber es war trotzdem ein Gedankenaustausch bei dem beide Seiten mehr über die Hintergründe der anderen Meinung gelernt haben.
Außerdem hat Wyoming mich in Bezug auf die Wahrnehmung der Natur verändert. Ich glaube, ich erlebe die Umgebung intensiver. Man kann Naturwunder nicht nur in der endlosen Prärie oder auf Berggipfeln der Rockies erleben, sondern auch bei einer Radtour durch Norddeutschland. Vom Vogelschwarm am Himmel bis zu den Rehen auf der Wiese. Seit Wyoming achte ich mehr auf solche Dinge.
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