Meine Autoren-Kollegin Petrina Engelke lebt seit sieben Jahren in New York und betreibt das äußerst lesenswerte Blog Moment: New York. Ihr kürzlich erschienener Fettnäpfchenführer New York macht mit vielen Insider-Tipps so richtig Lust auf die Stadt. Das Buch ist eine tolle Ergänzung zu jedem Reiseführer und auch allen zu empfehlen, die länger in New York bleiben wollen. Ich hatte diese Woche die Gelegenheit, Petrina einige Fragen stellen:
Warum gefällt dir New York?
Ich bin Geschichtenerzählerin, und New York steckt voller Geschichten – das passt einfach. New York gibt mir das Gefühl, dass in dieser Stadt alles möglich ist, dass die Menschen hier ihr Glück machen und im nächsten Moment alles verlieren und deshalb noch lange nicht aufgeben. In New York kann ich in Glitzerhose oder im Hosenanzug oder in Glitzerhose mit Anzugjacke herumlaufen oder ohne Hose, macht ja nichts: Wir haben hier im Januar sogar einen „No Pants Subway Ride“! Ich könnte mir morgen vornehmen, auf dem Parkett der Wall Street oder auf einem Tugboat anzuheuern. Das zu schaffen würde echt harte Arbeit, insbesondere, wenn ich auf meine Glitzerhose bestehe, die ich übrigens gar nicht besitze. Aber es wäre auch nicht unmöglich, und der Geist der Stadt sagt lieber „Klar, versuch das mal!“ als „Bist du irre?“.
New York selbst verändert sich ja auch ständig: Hier eröffnet ein neuer Park oder eine Hundetagesstätte, da macht ein Haus Platz für einen Wolkenkratzer oder verschwindet ein Job, und dazwischen brodeln gesellschaftliche Fragen. Mir gefällt die Vielfältigkeit dieser Stadt, allein schon mit einer U-Bahn-Fahrt erlebt man die unterschiedlichsten Menschen, während man anderswo leicht vergisst, dass die Welt alles andere als gleichförmig ist. Mich fasziniert auch die Insellage – Manhattan ist ja nur eine von vielen Inseln New Yorks! – und wie sie sich auf das Leben in der Stadt auswirkt.
Da muss ich gleich mal nachhaken: Wie wirkt sich die Insellage denn aus?
Sie prägt das Verhalten und auch ein Stück Identität. New York hat sichtbare Bezüge zum Fest- und Ausland. Hier kannst du die Containerschiffe sehen, die die Stadt und die Umgebung mit Heizöl, Smartphones, Bananen oder Riesenrad-Bauteilen versorgen, und manchmal auch die Lastkähne, die den Müll abtransportieren, und ein Großteil des Dauerstaus in Manhattan rührt von Lieferwagen und Berufspendlern, die über Brücken und durch Unterwassertunnel kommen. Trotzdem wissen die Bewohner: Wenn es hart auf hart kommt, sind wir auf uns gestellt. Und ich glaube, das führt dazu, dass sich die New Yorker so schnell zusammentun und einander helfen nach Katastrophen wie Hurricane Sandy oder 9/11, als übrigens auch sämtliche Brücken und Tunnel geschlossen waren.
Die Stadt kann sich außerdem nicht räumlich ausbreiten, um mehr Menschen Platz zu bieten. Dieser Dichte begegnen New Yorker mit einem pragmatischen Verhalten, das für Leute von außen zum Teil schwer zu verstehen ist. Zum Beispiel geht es beim Imbiss-Bestellen zack, zack – nicht weil New Yorker ungeduldig sind, sondern weil hinter ihnen noch zehn Leute mit ebenso kurzer Mittagspause warten.
Gewöhnt man sich schnell an das Tempo dieser Stadt?
Das Gehtempo fand ich fast normal, weil ich auch in meiner Heimat schon einen flotten Schritt hatte. Trotzdem musste ich erst begreifen, wie – und wie schnell – der Hase läuft in New York. Dass ich das aber dann gleich verinnerlicht hatte, merkte ich erst bei einem Besuch in Deutschland: Dort geht mir jetzt vieles zu langsam, und ich wundere mich, dass die Leute ohne Murren 20 Minuten auf eine U-Bahn warten.
Wie lange hat es insgesamt gedauert, bis du dich in New York eingelebt hattest?
Schwer zu sagen. Ich war vor meinem Umzug mehrere Male in New York, zweimal davon für längere Zeit, ich war also nicht unvorbereitet auf das, was mich erwarten würde. Aber ein Anhaltspunkt fällt mir ein: Als mich einmal eine Freundin besuchte, bemerkte sie, dass ich komplett ohne U-Bahn-Plan unterwegs war. Das war nach ungefähr einem Jahr in New York.
Gab es trotz der vorherigen Aufenthalte dann doch etwas, das dich überrascht hat?
Na klar! Mal abgesehen davon, dass sich New York ständig verändert und mich auch jetzt noch mit neuen oder verschwundenen Dingen überrascht: Ich dachte früher, dass Deutschland mit seinem Beamtentum und dem dazugehörigen Klischee wohl Spitzenreiter in Sachen Bürokratie sein muss. Aber was ich bei Behördengängen hierzulande schon alles ausgefüllt und erlebt habe, macht dem durchaus Konkurrenz. Das hätte ich nicht erwartet. Außerdem hat mich die Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt überrascht: Die frische Ware ist oft wunderschön präsentiert, mit versetzt gestapelten Äpfeln oder Orangen, in Reih und Glied liegenden Möhren oder Maiskolben, und es gibt eine Riesenauswahl an Sorten, die ich nicht kannte – allein grüne Blattgemüse wie Collard Greens, Brunnenkresse, Dinosaurierkohl, Regenbogen-Mangold ...
Das widerspricht natürlich dem Klischee vom Fastfood liebenden Amerikaner. Welche anderen Klischees sollten endlich einmal über Bord geworfen werden?
Über Bord gehen sollte die Idee von „dem Amerikaner“ an sich, egal welches Klischee hintendran hängt. Die Menschen hier haben so unterschiedliche Träume, Ängste und Lebensläufe, es ist schlicht unmöglich, dass dabei immer derselbe Typ herauskäme. Wer sich nicht davon abbringen lassen will, dass alle Amerikaner dick sind, müsste entsprechend beim Herumlaufen in New York Millionen Menschen übersehen und konsequent auf Basketball, Ballett und Fashion Shows verzichten. Wahrscheinlich geht das irgendwie. Ich finde aber, das Reisen – und auch der Alltag in der Fremde – wird viel angenehmer und spannender, wenn man Interesse an dem zeigt, was einem seltsam vorkommt, statt nach Bestätigung für vorher gefasste Meinungen zu suchen.
Wer mehr über die ungeheure Vielfalt New Yorks erfahren möchte, sollte den Fettnäpfchenführer New York und Petrinas reichbebildertes Blog Moment: New York - Geschichten aus der irrsten Stadt der Welt lesen.
Warum gefällt dir New York?
Ich bin Geschichtenerzählerin, und New York steckt voller Geschichten – das passt einfach. New York gibt mir das Gefühl, dass in dieser Stadt alles möglich ist, dass die Menschen hier ihr Glück machen und im nächsten Moment alles verlieren und deshalb noch lange nicht aufgeben. In New York kann ich in Glitzerhose oder im Hosenanzug oder in Glitzerhose mit Anzugjacke herumlaufen oder ohne Hose, macht ja nichts: Wir haben hier im Januar sogar einen „No Pants Subway Ride“! Ich könnte mir morgen vornehmen, auf dem Parkett der Wall Street oder auf einem Tugboat anzuheuern. Das zu schaffen würde echt harte Arbeit, insbesondere, wenn ich auf meine Glitzerhose bestehe, die ich übrigens gar nicht besitze. Aber es wäre auch nicht unmöglich, und der Geist der Stadt sagt lieber „Klar, versuch das mal!“ als „Bist du irre?“.
New York selbst verändert sich ja auch ständig: Hier eröffnet ein neuer Park oder eine Hundetagesstätte, da macht ein Haus Platz für einen Wolkenkratzer oder verschwindet ein Job, und dazwischen brodeln gesellschaftliche Fragen. Mir gefällt die Vielfältigkeit dieser Stadt, allein schon mit einer U-Bahn-Fahrt erlebt man die unterschiedlichsten Menschen, während man anderswo leicht vergisst, dass die Welt alles andere als gleichförmig ist. Mich fasziniert auch die Insellage – Manhattan ist ja nur eine von vielen Inseln New Yorks! – und wie sie sich auf das Leben in der Stadt auswirkt.
No Pants Subway Ride: An einem Tag im Januar verabreden sich New Yorker dazu, in Unterwäsche U-Bahn zu fahren. (Foto: Petrina Engelke) |
Da muss ich gleich mal nachhaken: Wie wirkt sich die Insellage denn aus?
Sie prägt das Verhalten und auch ein Stück Identität. New York hat sichtbare Bezüge zum Fest- und Ausland. Hier kannst du die Containerschiffe sehen, die die Stadt und die Umgebung mit Heizöl, Smartphones, Bananen oder Riesenrad-Bauteilen versorgen, und manchmal auch die Lastkähne, die den Müll abtransportieren, und ein Großteil des Dauerstaus in Manhattan rührt von Lieferwagen und Berufspendlern, die über Brücken und durch Unterwassertunnel kommen. Trotzdem wissen die Bewohner: Wenn es hart auf hart kommt, sind wir auf uns gestellt. Und ich glaube, das führt dazu, dass sich die New Yorker so schnell zusammentun und einander helfen nach Katastrophen wie Hurricane Sandy oder 9/11, als übrigens auch sämtliche Brücken und Tunnel geschlossen waren.
Die Stadt kann sich außerdem nicht räumlich ausbreiten, um mehr Menschen Platz zu bieten. Dieser Dichte begegnen New Yorker mit einem pragmatischen Verhalten, das für Leute von außen zum Teil schwer zu verstehen ist. Zum Beispiel geht es beim Imbiss-Bestellen zack, zack – nicht weil New Yorker ungeduldig sind, sondern weil hinter ihnen noch zehn Leute mit ebenso kurzer Mittagspause warten.
Tempo: Hinweisschild für Touristen am Times Square (Foto: Petrina Engelke) |
Gewöhnt man sich schnell an das Tempo dieser Stadt?
Das Gehtempo fand ich fast normal, weil ich auch in meiner Heimat schon einen flotten Schritt hatte. Trotzdem musste ich erst begreifen, wie – und wie schnell – der Hase läuft in New York. Dass ich das aber dann gleich verinnerlicht hatte, merkte ich erst bei einem Besuch in Deutschland: Dort geht mir jetzt vieles zu langsam, und ich wundere mich, dass die Leute ohne Murren 20 Minuten auf eine U-Bahn warten.
Wie lange hat es insgesamt gedauert, bis du dich in New York eingelebt hattest?
Schwer zu sagen. Ich war vor meinem Umzug mehrere Male in New York, zweimal davon für längere Zeit, ich war also nicht unvorbereitet auf das, was mich erwarten würde. Aber ein Anhaltspunkt fällt mir ein: Als mich einmal eine Freundin besuchte, bemerkte sie, dass ich komplett ohne U-Bahn-Plan unterwegs war. Das war nach ungefähr einem Jahr in New York.
Gab es trotz der vorherigen Aufenthalte dann doch etwas, das dich überrascht hat?
Na klar! Mal abgesehen davon, dass sich New York ständig verändert und mich auch jetzt noch mit neuen oder verschwundenen Dingen überrascht: Ich dachte früher, dass Deutschland mit seinem Beamtentum und dem dazugehörigen Klischee wohl Spitzenreiter in Sachen Bürokratie sein muss. Aber was ich bei Behördengängen hierzulande schon alles ausgefüllt und erlebt habe, macht dem durchaus Konkurrenz. Das hätte ich nicht erwartet. Außerdem hat mich die Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt überrascht: Die frische Ware ist oft wunderschön präsentiert, mit versetzt gestapelten Äpfeln oder Orangen, in Reih und Glied liegenden Möhren oder Maiskolben, und es gibt eine Riesenauswahl an Sorten, die ich nicht kannte – allein grüne Blattgemüse wie Collard Greens, Brunnenkresse, Dinosaurierkohl, Regenbogen-Mangold ...
Gemüse: Bunte Ordnung im Supermarkt (Foto: Petrina Engelke) |
Das widerspricht natürlich dem Klischee vom Fastfood liebenden Amerikaner. Welche anderen Klischees sollten endlich einmal über Bord geworfen werden?
Über Bord gehen sollte die Idee von „dem Amerikaner“ an sich, egal welches Klischee hintendran hängt. Die Menschen hier haben so unterschiedliche Träume, Ängste und Lebensläufe, es ist schlicht unmöglich, dass dabei immer derselbe Typ herauskäme. Wer sich nicht davon abbringen lassen will, dass alle Amerikaner dick sind, müsste entsprechend beim Herumlaufen in New York Millionen Menschen übersehen und konsequent auf Basketball, Ballett und Fashion Shows verzichten. Wahrscheinlich geht das irgendwie. Ich finde aber, das Reisen – und auch der Alltag in der Fremde – wird viel angenehmer und spannender, wenn man Interesse an dem zeigt, was einem seltsam vorkommt, statt nach Bestätigung für vorher gefasste Meinungen zu suchen.
Wer mehr über die ungeheure Vielfalt New Yorks erfahren möchte, sollte den Fettnäpfchenführer New York und Petrinas reichbebildertes Blog Moment: New York - Geschichten aus der irrsten Stadt der Welt lesen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen