Was ist ein Health Savings Account (HSA)?

Wer in den USA lebt und eine Krankenversicherung mit hoher Selbstbeteiligung (high-deductible health plan) hat, kann ein spezielles Konto eröffnen, auf das Geld von Lohn bzw. Gehalt überwiesen wird und mit dem sich Steuern sparen lassen.

In der Regel können diese Überweisungen über den Arbeitgeber vor Abzug der Steuern vorgenommen werden. Sollte diese Möglichkeit nicht bestehen, kann man das Geld auch selbst einzahlen und dadurch das besteuerbare Jahreseinkommen verringern. Das macht man dann bei der jährlichen Einkommensteuererklärung geltend. (Selbstständige müssen allerdings self-employment tax auf ihre eingezahlten Beträge entrichten.) So lassen sich unter Umständen einige Hundert Dollar im Jahr sparen.

Pro Jahr können maximal 3.250 Dollar (Single) bzw. 6.450 Dollar (Familie) auf ein Health Savings Account eingezahlt werden. (Stand: 2013)

Dieses Geld kann dann für Eigenbeteiligungen bei medizinischer Behandlung und bei Medikamenten, aber auch beim Zahnarzt, Augenarzt und Chiropraktiker sowie für Brillen und Hörgeräte genutzt werden.

In der Regel nutzt man eine Geldkarte (debit card) oder Schecks für dieses Konto zum Bezahlen der genannten Eigenbeteiligungen bzw. anderen Leistungen.

Sollte man das Guthaben im laufenden Kalenderjahr nicht verbrauchen, steht es auch im folgenden Jahr zur Verfügung.

Falls man zu einer Krankenversicherung ohne hohe Selbstbeteiligung wechselt, steht das Geld ebenfalls noch zur Verfügung, man kann jedoch kein weiteres Geld auf dieses Konto einzahlen.

Sollte man Geld abheben und für nichtmedizinische Zwecke verwenden, werden Einkommenssteuer und 20 Prozent Strafgebühr fällig, es sei denn man ist 65 Jahre alt oder behindert geworden.

Wie Detroit sich neu erfindet - Ein Interview mit Katja Kullmann

Da ich seit beinahe 15 Jahren in der Nähe von Detroit lebe und die Stadt mit ihren Problemen (und den Versuchen, diese zu lösen) recht gut kenne, habe ich mit großem Interesse das Buch Rasende Ruinen - Wie Detroit sich neu erfindet von Katja Kullmann gelesen. Ich war gespannt, wie es einer deutschen Journalistin, die sich vier Wochen lang in der Stadt aufhielt, gelingen würde, Detroit und seine Einwohner zu beschreiben. Kurz gesagt: Katja Kullmann hat ein tolles Buch vorgelegt, das der Stadt und ihren Menschen gerecht wird.

Katja Kullmann war so freundlich, sich mit mir über ihr Buch auszutauschen:

Denkst du oft an Detroit?

Ja, jede Woche mindestens zwei oder drei Mal. Zum einen liegt das daran, dass wir ja auch zunehmend in Europa, auch in Deutschland, über das Phänomen der „shrinking cities“ sprechen – überhaupt über das soziale Moment von Städten, über Ungleichheit: Da gibt es einerseits die boomenden Metropolen, die „Kreativ“- oder „Medienstädte“ wie Berlin, Hamburg, Köln, München – da wollen alle hin, da grassiert die Immobilienspekulation, da steigen die Mieten weiterhin wie verrückt. Und andererseits gibt es die sterbenden Städte in den Regionen des Bergbaus und der früheren Metall-Industrie, hoch verschuldete Kommunen mit wachsender Armut, etwa Oberhausen oder Dortmund. Genau diese Prozesse spiegeln sich ja in Detroit, oder es spiegelt sich umgekehrt, wie auch immer man das sehen will. Neulich war ich mal in Nordfriesland unterwegs, auf dem Land - und auch da: Kleine Kreisstädte mit halbverwaisten Innenstädten, da gibt es keinen Lebensmittelladen mehr, nur noch große Einkaufzentren irgendwo auf der grünen Wiese. Niemand investiert noch in diese Orte - lauter kleine Detroits, auch hierzulande. Naja, abgesehen davon habe ich natürlich noch ein paar Kontakte nach Detroit und lese in den Nachrichten auch immer mal, was sich dort gerade so tut. Und ich bin weiterhin ein Soul-Fan, besonders mag ich den Motown-ähnlichen Sound der frühen 60er Jahre, der eben überwiegend aus Detroit kommt. Es rührt ja sowieso sehr viel Musik aus Detroit oder hat auf Umwegen mit der Stadt zu tun – vom Jazz über den Funk, den Soul bis zu Punk und Techno. Wenn man das einmal weiß, kann man kaum noch Musik hören, ohne automatisch auch immer wieder Detroit zu hören.

Apropos Techno: Als ich vor einigen Jahren zu einem Konzert der deutschen Band Kraftwerk in Detroit gegangen bin, war ich überrascht, dass das Publikum zu einem großen Teil aus schwarzen Männern über 40 bestand. Wie ich dann später nachgelesen habe, gehörte Kraftwerk zu den Lieblingsbands der Techno-Wegbereiter in Detroit. Aber zurück zum Thema "shrinking cities": In deinem Buch schreibst du, dass Detroit "womöglich gar nicht hinterherhinkt, sondern den anderen nur wieder ein paar Schritte voraus ist." Sollten deutsche Städte mit ähnlichen Problemen deshalb Detroit im Auge behalten?

Das mit den „paar Schritten voraus“ steht im Vorwort - und war ursprünglich sarkastisch gemeint, nämlich in dem Sinn, dass es in den USA keinen Sozialstaat gibt, wie wir ihn aus Europa kennen. Die sozialen Sicherungssysteme werden in Europa ja gerade abgebaut. Und in diesem Sinne kann man in Detroit sehr gut sehen, wohin es führt, wenn die sprichwörtliche Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander driftet, oder wenn dir nach einer bestimmten Zeit der Arbeitslosigkeit nichts mehr bleibt als Lebensmittelmarken. Aber auch in anderer, positiver Hinsicht sind die Menschen in Detroit uns gewissermaßen „voraus“. Es gibt dort Hunderte von Projekten und Kollektiven, die versuchen, neue Gemeinschaften zu stiften. Das Urban Farming spielt da eine wichtige Rolle. Ich hatte das zunächst unterschätzt und für eine Öko-Träumerei gehalten. Aber in Detroit ist das existenziell wichtig für die Menschen. In vielen Stadtteilen gibt es keinen Supermarkt mehr, erst recht keinen Gemüseladen. Seine Lebensmittelmarken kann man fast nur in Liquor Stores einlösen, wo es nur Fertiggerichte gibt, echten Ernährungs-Schrott. Die Urban-Farming-Bewegung in Detroit führt die Leute zurück zu einer autonomen Subsistenzwirtschaft, kann man sagen. Es gibt Leute, die sagen: „Wir verweigern jetzt die Rolle des Konsumenten.“ Frühere Auto-Mechaniker geben kostenlose Fahrrad-Reparatur-Workshops, es gibt privat organisierte Möbeltauschringe usw.. Da wird Autonomie und Selbstbestimmung gerade ganz praktisch ausprobiert bzw neu definiert – immer mit einer solidarischen Idee im Hinterkopf. In Deutschland gibt es ja z.B. Ansätze zu Mieter-Kollektiven - um aus dieser wahnsinnigen Miet-Spirale auszusteigen. Oder in Griechenland: Da haben ganze Gemeinden eine eigene Ersatz-Währung im Tausch-Modus eingeführt, um das lokale Wirtschaftssystem zu retten. Diese neuen Formen der Selbst-Organisation entstehen derzeit überall - und aus Detroit kann man da viel lernen. Das fand ich alles viel spannender als das, was Städteplaner und Investoren dort so im Kopf haben.

Das Urban Farming hatte ich anfangs auch unterschätzt. Jetzt entwickelt sich das zu einer echten Alternative zu den bestehenden Versorgungsstrukturen. Muss es den Leuten erst richtig schlecht gehen, bevor sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen?

Das wäre eine typische „Tea Party“-Ansicht, schätze ich mal: „Man muss Euch wohl verhungern lassen, bevor Ihr mal den Hintern hoch kriegt?“ Ähnliche Ansichten kursieren ja auch in Europa, so nach dem Motto: „Jeder ist seines Glückes Schmied, selbst schuld.“ Nein, nein – so ist es ganz und gar nicht. Einge ganz breite Bevölkerungsschicht ist in Detroit über Jahrzehnte in die Armut gerutscht, und es ist genau die Schicht, die einst zur Mittelschicht zählte – die „blue collar middle class“, man könnte auch sagen: die Mechaniker- oder Facharbeiterklasse. Das sind Familien, die über Generationen ganz brav den Vorgaben des amerikanischen Traums gefolgt sind, die haben fleißig gearbeitet, haben sich ein kleines Häuschen und ein Auto zugelegt, oft kreditfinanziert – genau wie es das amerikanische Konsum-System jahrzehntelang von seinen Bürgern gewünscht hat: „Buy now, pay later.“ Und nach und nach hat sich dann nicht nur die Produktion globalisiert, was ja nichts anderes bedeutet, als dass z.B. Autos an billigeren Standorten produziert werden; es ist auch das eingetreten, worüber wir in Europa seit einer Weile heftig diskutieren: Alte Arbeitsverträge und tarifliche Abmachungen wurden nach und nach aufgeweicht oder abgeschafft. Auch in Detroit sind viele Arbeiter zwischenzeitlich gekündigt und wenig später als deutlich schlechter bezahlte Leih- und Zeitarbeiter wieder eingestellt worden. Und wenn sich Existenzangst und Armut weiter vererben, dann kommt man da irgendwann nicht mehr heraus. Fakt ist: In Detroit gibt es einfach kaum Jobs, erst recht nicht für Menschen, die keine ganz so tolle Ausbildung haben. Gleichzeitig werden aber öffentliche Grundschulen geschlossen und so weiter – das Wort „Abwärtsspirale“ ist zu klein für das, was da passiert. Interessanterweise ballt sich draußen im Grünen, vor den Toren der Stadt, der Reichtum. Das umliegende, überwiegend von Weißen besiedelte County Oakland zählt zu den absolut reichsten in den gesamten USA. Dort sitzen sozusagen die Unternehmerfamilien, die mit der Ausbeutung der Innenstadt-Arbeiter-Schicht über hundert Jahre sehr viel Geld gemacht haben. Diese „Klassenteilung“ hat mich in dieser Härte sehr erschüttert. Was die Leute in dowtown Detroit jetzt tun: Sie holen sich den vergifteten Begriff „Freiheit“ sozusagen zurück. Sie denken nicht an „neoliberale“ Freiheit, sondern an Autonomie. Auch sie kündigen jetzt gewissermaßen den Gesellschaftsvertrag – weil die große US-Gesellschaft, erst recht der Bundesstaat Michigan, der übrigens von einem Tea-Party-nahen Republikaner regiert wird, sowieso nichts für sie tut. Also formen sie alternative, eigene Strukturen. Um zu überleben, ganz einfach.

Gouverneur Rick Snyder steht mir politisch alles andere als nahe, aber ich muss ihn doch ein wenig verteidigen: Er ist der erste Gouverneur seit Langem, der sich wirklich ernsthafte Gedanken um Detroit macht. Seine Ansätze sind zwar durch und durch kapitalistisch, aber er hat auch Ideen, denen ich zustimme, z.B. die Stadt durch Einwanderer neu zu beleben. Es gibt in Detroit mindestens zwei Stadtteile, die durch mexikanische Einwanderer zu neuem Leben erwacht sind, allerdings bis jetzt ohne Zutun des Staates. Was hältst du von der Idee, „shrinking cities“ durch Einwanderer wieder wachsen zu lassen?

Migration war schon immer der Schlüssel zu mehr Wohlstand – also: Wenn Menschen zuwandern, prosperiert über kurz oder lang die Stadt, das zieht sich von der Antike bis heute. Der britisch-kanadische Autor Doug Sanders hat vor nicht allzu langer Zeit ein interessantes Buch darüber verfasst, es heißt „Arrival City“, also „Ankunftsstadt“. Ich glaube ich weiß, von welchen Gegenden Du sprichst. Eine Ecke im südwestlichen Teil von Detroit wird heute „Mexican Town“ genannt, weil da in den vergangenen Jahren eine ganz neue Nachbarschaft mit einer kleinen, aber wachsenden Mikroökonomie entstanden ist. Also: Ja, das stimmt. Wie Du es in Deiner Frage aber schon andeutest: Der Zuzug dieser Menschen ist aber nicht das Verdienst irgendeiner „policy“, einer staatlichen Initiative. Ein anderes Beispiel ist das, was der Unternehmer Dan Gilbert in Detroit macht. Ihm gehört u.a. das Unternehmen „Quicken Loans“, das sich – ironischerweise - auf die Finanzierung privater Immobilienkredite spezialisiert hat. Er kauft seit einer Weile reihenweise leer stehende, teils zwangsversteigerte Hochhäuser in bestimmten Vierteln der City auf, und er genießt etliche, nur halb transparente Steuerprivilegien dafür. Was er im Gegenzug versprochen hat: Dass er mindestens 2.000 so genannte „High Potentials“, junge, top ausgebildete Leute als Arbeitskräfte in die Stadt holt. Auch für diese neu angeworbenen Mitarbeiter soll es in den ersten Jahren Steuervergünstigungen geben, und sie zahlen in den extra für sie hergerichteten Wohnungen besonders niedrige Mieten. Was alles erst einmal ganz gut klingt, das gebe ich zu – was aber auch zu der absurden Situation führt, dass diese jungen, abenteuerlusigen High Potentials nun also in luxuriös sanierten Häusern leben und dafür teils weniger bezahlen - obwohl sie ordentlich verdienen -, als die angestammten verarmten Familien für ihre Bruchbuden hinblättern müssen. In den Rasenden Ruinen habe ich es ungefähr so formuliert: „Man jubelt über 2.000 neue schicke Bürger – aber die 700.000 alten Bürger, die es seit Jahrzehnten irgendwie dort aushalten, kommen in den Berichten nur als Fußnoten vor.“ Fest steht, das ist in jedem Fall richtig: Detroit leidet unter einer massiven De-Gentrifizierung, dem Gegenteil dessen, was New York oder europäische Hot Spots erleben. Es ist dieselbe Medaille, nur von einer anderen Seite betrachtet: soziale Segregation. Insofern ist es wirklich gut, wenn neue Menschen nach Detroit ziehen und dort im Kleinen vielleicht etwas Neues aufbauen. Man darf aber keine Jubelarien daraus machen. Fakt ist: Die Stadt leidet immer noch vor allem unter einem massiven Anwohner-Verlust. Allein in den Nuller Jahren ist die Bevölkerung noch mal um ein Viertel gesunken, auf heute knapp über 700.000 – wo einst an die zwei Millionen lebten. Ich wünsche Detroit wirklich nichts mehr, als dass es wieder zu Kräften kommt, dass dieser traurige Verzweiflungs-Schleier, der über der Stadt liegt, sich schnellstmöglich auflöst, irgendwie. Aber die sozialen Verwerfungen sind dort wirklich gewaltig. Und, wie ich anfangs schon sagte: Das ist nicht nur ein Problem von Detroit! Man kann es dort aber eben in aller Härte besichtigen.

Wirst du Detroit in ein paar Jahren noch einmal besuchen, um zu sehen, was sich geändert hat? Vielleicht gehört Dan Gilbert dann ja schon das gesamte Stadtzentrum, oder er hat sich inzwischen wieder aus dem Staub gemacht ...

Das Verrückte, was ich wirklich nicht erwartet hätte, ist: Ich habe mich auf merkwürdige Art in diesen Ort verliebt. Das liegt, auch wenn’s ein bisschen kitschig klingt, an den Menschen, die ich dort getroffen habe. Eine ganz eigene Energie liegt in dieser Stadt, eine Mischung als Stolz und Trotz. Anfangs haben die Menschen zum Beispiel sehr skeptisch auf meine Fragen reagiert – nach dem Motto: „Schon wieder eine Journalistin, die unser Elend abfotografieren will.“ Aber dann … haben sich wirklich ganz tolle, teils sehr berührende Gespräche ergeben. Die Stadt, also die Menschen dort, haben mir sehr viel geschenkt, haben mir sehr viel anvertraut – und fast alle haben gesagt: „Ja, bitte erzähle unsere Geschichten weiter, damit man auch in Europa versteht, was hier los ist.“ Vor allem gibt es in Detroit auch einen bestimmten Humor, einen manchmal fatalistisch klingenden, oft irgendwie auch selbst-ironischen „Survival-Humor“, der unvergleichlich ist, glaube ich. Mit einigen Detroitern stehe ich auch noch in regem E-Mail-Kontakt. Und: Ja – ich werde auf jeden Fall noch einmal hinfahren. Es ist allerdings nicht ganz einfach, das zu finanzieren, ich meine: Ich bin nur eine bescheidene Ein-Frau-Fabrik ohne Sponsor. Tatsächlich werde ich jetzt, Mai und Juni, wieder in den USA sein – für ein neues, ganz anderes Projekt. Das wird mich allerdings in den Bundesstaat New York führen, ins Upper Hudson Valley, eine ziemlich wohlhabende, tendenziell „weiße“ Region. Das ist wieder ein ganz anderes Amerika dort. Es fällt mir schwer – aber ich habe beschlossen, Detroit bei dieser Reise links liegen zu lassen. Als Autorin muss ich einfach aufpassen, die Dinge nicht zu vermischen, muss das im Kopf hübsch auseinanderhalten. Wenn jenes neue Projekt, es soll wieder ein Buch draus werden, mich hoffentlich reich macht, haha, werden die nächsten Übersee-Tickets dann aber gleich gekauft – und dann werde ich wieder vorbeischauen, im großen, wütenden, irgendwie ja doch geliebten Detroit.

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Rasende Ruinen - Wie Detroit sich neu erfindet ist letztes Jahr im Suhrkamp-Verlag erschienen und recht preiswert: EUR 5,99 (als Taschenbuch oder E-Book).

Der/das Blog von Katja Kullmann ist ebenfalls sehr lesenswert.

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P.S. Vielen Dank an Stefanie Kulpe von Michigan Travels, die mir dieses Buch gegeben hat.